Derzeit entscheiden sich immer mehr Menschen für eine zuckerfreie Ernährung. Das weiße Gold von einst, wurde unlängst nicht nur von Ernährungsexperten zum Gesundheitsfeind Nr. 1 erklärt. Seit einiger Zeit greift der stetig wachsende Trend #zuckerfrei viral in den sozialen Netzwerken um sich und wird auch im Fernsehen eifrig diskutiert. In Beratungen werde ich zunehmend gefragt, ob denn für Diabetiker eine gänzlich zuckerfreie Ernährung Sinn macht. In diesem Artikel erfährst Du für wen diese Form der Ernährung geeignet ist und für wen eher nicht.

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Wird Zucker die neue Zigarette?

John Yudkin, einer der bedeutendsten Ernährungswissenschaftler seiner Zeit, warnte in seinem visionärem und sehr empfehlenswerten Buch „Pur, weiß und tödlich“ * bereits 1972 vor dem, was heute weitgehend wissenschaftlicher Konsens ist. Hoher Zuckerkonsum steht in direktem Zusammenhang mit Adipositas, Diabetes Typ 2, koronaren Herzerkrankungen und einigen weiteren der bekannten „Zivilisationskrankheiten“. Yudkin ist der Überzeugung, dass Zucker weltweit für mehr als 35 Millionen Todesfälle verantwortlich ist. Heroin kommt hier vergleichsweise nur auf einen winzigen Bruchteil dieser erschreckenden Zahl. Allein in Deutschland entstehen laut Foodwatch durch Fettleibigkeit Kosten von rund 60 Milliarden Euro jährlich. Die Experten von Foodwatch sehen insbesondere den Verzehr von gezuckerten Getränken als maßgeblich mitverantwortlich für diese Besorgnis erregende Summe.

Und nicht nur hierzulande wurde das Problem erkannt. Weltweit beginnen Regierungen die Notbremse zu ziehen.

Chile und Brasilien schützen ihre Jüngsten vor gezielt an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung.

Großbritannien und Frankreich testen eine verbesserte Nährwertkennzeichnung und Mexiko erhebt mit signifikantem Erfolg Steuern auf Süßgetränke wie Coca Cola und Pepsi.

Jedoch gibt es tatsächlich auch Ernährungsexperten die anderer Meinung sind. Udo Pollmer zum Beispiel ist wissenschaftlicher Leiter des eingetragenen Vereins „Europäisches Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften“. Er behauptet:


„Es gibt nicht einen einzigen soliden Beleg, dass Zucker dick oder krank macht“

– Udo Pollmer

Interessanterweise sieht das der Lobbyverband „Wirtschaftliche Vereinigung Zucker“ ganz genauso.

Und mal ehrlich. Wir wissen doch alle, dass es nicht ohne Folgen bleibt, wenn man über die Maßen Haribotüten, Schokoriegel und Fanta in sich hinein schüttet. 

Saccharose – Haushaltszucker

Der Zucker wie wir ihn kennen ist die chemische Verbindung von Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker), auch als Saccharose bezeichnet.

Klingt erstmal gar nicht so schlimm oder? Schließlich ist vielen der Traubenzucker doch aus dem Sport als schneller Energienachschub bekannt (Dextroenergy). Und Fruchtzucker? Der ist doch vor allem in gesundem Obst enthalten und folglich unproblematisch, richtig?

Leider weit gefehlt.

Der US-amerikanische Neuroendokrinologe Robert Lustig konnte in seinen Studien zeigen, dass Zucker ähnlich schädlich ist wie Alkohol.

Zucker ist wie Alkohol, nur ohne Rausch

Der Professor an der University of California macht deutlich, es ist allem voran die enthaltene Fructose, die für unsere Gesundheit problematisch ist.

Unser Verdauungstrakt spaltet Kohlenhydrate und somit auch das Disaccharid Zucker in seine Einzelbausteine Glucose und Fructose auf. Stoffwechselphysiologisch war’s das dann auch schon an Gemeinsamkeiten. Um zu verstehen auf welche Weise die beiden Zuckerbestandteile unsere Gesundheit gefährden, müssen wir uns anschauen, wie sie weiter vom unserem Körper verstoffwechselt werden.

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Die wichtigsten Unterschiede in der Verstoffwechselung von Glucose und Fructose

Glucose

  • Glucose kann neben der Leber von jedem anderen Organ und Gewebe unseres Körpers als Energiequelle genutzt werden. Und das macht Glucose so einzigartig. Nahezu jedes Lebewesen auf diesem Planeten, vom einzelligen Bakterium bis hin zum riesigen Pottwal, kann aus Glucose Energie gewinnen.
  • 80% der aufgenommen Glucose gelangen nach einer Mahlzeit in unseren Blutkreislauf. Die Erhöhung der Glucose Konzentration im Blut löst die Ausschüttung des Hormons Insulin aus. Insulin sorgt dafür, dass Glucose aus dem Blut in unseren Zellen aufgenommen werden kann. Zusammen mit seinem Gegenspieler Glucagon hält Insulin den Blutzuckerspiegel auf einem bestimmten Niveau konstant. So gewährleistet unser Organismus ein möglichst gleichbleibendes Angebot an Energie zu jeder Zeit.
  • Lediglich 20% der Glucose landen insulinvermittelt in unserer Leber. Hier wird sie in die Speicherform Glykogen umgewandelt und eingelagert. Sollte der Fall eintreten, dass unser Blutzuckerspiegel rapide sinkt, kann so Glucose schnell aus den Leberspeichern wieder ins Blut abgegeben werden. 
  • Wenn wir zu viel süßes essen, steigt auch entsprechend häufig und steil unser Blutzucker an. Damit einher geht jedoch auch, dass viel Insulin produziert und freigesetzt wird, um die Mengen Glucose aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Wenn dies über Monate und Jahre der Fall ist, dann werden unsere Zellen allmählich unempfindlicher gegenüber Insulin. Mediziner sprechen von einer gestörten Glucosetoleranz, wenn nach einer zuckerhaltigen Mahlzeit, der Blutzucker deutlich langsamer sinkt als bei einem gesunden Menschen. Es handelt sich hierbei schon um die Vorstufe von Diabetes. Bei andauernden hohem Verzehr an Süßem kommt es zur gefürchteten Insulinresistenz. Besteht schon ein Diabetes Typ 2, so befeuert der Zuckerkonsum ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung.

Fructose

  • Fructose wird, ganz im Gegensatz zu Glucose, hauptsächlich von der Leber abgebaut – genau wie Alkohol.
  • Fructose wird in der Leber nicht in Glykogen umgewandelt, sondern zu einem Stoffwechselzwischenprodukt abgebaut, dass, wenn es in größeren Mengen anfällt, zur Neubildung von Fetten führt.
  • Selbiges geschieht auch wenn wir größere Mengen Alkohol zu uns nehmen.
  • In beiden Fällen landen die neugebildeten Fette schlussendlich auch in unserem Blut, wo diese langfristig die Gefäße schädigen, Entzündungen hervorrufen und Arteriosklerose begünstigen. 
  • Fructose löst keine Insulin Ausschüttung aus. Das ist deshalb problematisch, da Insulin ein wichtiger Bestandteil unseres Hunger-Sättigungssystem ist und Fructose genauso viele Kilokalorien liefert wie Glucose. Hieraus resultiert, dass unser Organismus für die Hälfte der aufgenommen Energie nicht die Rückmeldung bekommt, dass er sie aufgenommen hat. Daher begünstigt eine hohe Fructose Zufuhr die Entstehung von Übergewicht.

Unter dem Strich hat Zucker also stoffwechselphysiologisch gesehen erschreckend viele Gemeinsamkeiten mit Alkohol. Für all diejenigen, denen das noch nicht Grund genug ist weniger Schokomuffins, Gummibärchen und Co. zu konsumieren, kommen 5 weitere gute Gründe.

5 Gründe warum zuckerfreie Ernährung Sinn machen kann

  1. Zu viel Zucker ist gefährlich –  Die Zuckerkrankheit Diabetes ist weltweit auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Neuerkrankungen seit Jahren an. Da viele Betroffene sehr lange Zeit völlig frei von Symptomen sind, gibt es eine hohe Dunkelziffer. Hierin begründet sich auch die Tatsache, dass bei Erstdiagnose häufig schon irreparable Schäden zu beklagen sind. Aber auch wer schon Diabetes Typ 2 hat, profitiert sehr von einer zuckerfreien Ernährung. Zuckerfreie oder zumindest eine zuckerreduzierte Ernährung ist für Diabetiker und Prädiabetiker (Vorstufe) äußerst empfehlenswert.
  2. Suchtähnliches Verhalten – Ähnlich wie Nikotin und Alkohol kann Zucker eine regelrechtes Verlangen auslösen, da durch den Verzehr hormonell im Gehirn das Dopamin Belohnungssystem aktiviert wird. Die Folge ist ein suchtähnliches Verhalten, dass unweigerlich die Fettpölsterchen auf den Hüften wachsen lässt.
  3. Wer auf Zucker verzichtet, der befreit sich von unnützen „leeren Kalorien“. Limonade und andere stark gezuckerte Lebensmittel enthalten außer Energie nichts, was unserer Gesundheit zuträglich ist. Obstsorten wie Weintrauben, Clementinen oder Pflaumen beispielsweise sind zwar auch süß, enthalten jedoch neben Zucker immerhin noch Vitamine, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe, die allesamt wissenschaftlich erwiesener Maßen unsere Gesundheit positiv beeinflussen können.
  4. Die gute Nachricht bei all dem Verzicht – Unser Geschmack ist adaptiv, d.h. er passt sich an. Streichen wir konsequent alle stark gezuckerte Lebensmittel aus unserem Speiseplan, dann entwöhnen wir uns nachhaltig vom „Übersüßten“.
  5. Achtsamkeit – Die tägliche Auseinandersetzung mit Zutatenlisten schafft ein Bewusstsein dafür wie flächendeckend Zucker in unseren heutigen Produkten zugesetzt ist. 

Für wen eine gänzlich zuckerfreie Ernährung keinen Sinn macht 

  • Wer einen BMI im Normalbereich hat und nur Gelegentlich nascht, für den ist ein radikaler Verzicht auf alle zuckerhaltige Lebensmittel nicht erforderlich. 
  • Erst die Dosis macht das Gift. Zucker in Maßen gefährdet unsere Gesundheit nicht wesentlich. Wer am Wochenende mal ein Stück Kuchen oder ein Eis genießt, der muss sich keine Sorgen machen, dass er seine Gesundheit gefährdet.
  • Gesunde Ernährung bedeutet auch genießen zu dürfen. Dem bewussten Erleben eines ausgefallen Desserts auf der Hochzeit des besten Freundes, dem Sonntagsessen bei den Schwiegereltern oder beim Candle light Dinner steht nichts entgegen.
  • Extra Tipp: Naschereien direkt im Anschluss an eine der Hauptmahlzeiten essen, z.B. als Dessert. Der so folgende Blutzuckeranstieg ist für unseren Körper besser als ein erneuter, wenn wir Naschereien als Snack zwischen durch essen.

Der Kompromiss: Zucker reduzieren statt radikaler Verzicht

Jeder der nun seiner Gesundheit zuliebe beschließt den Zuckerkonsum zu reduzieren, der muss sich zwangsläufig näher mit dem Zuckergehalt der Lebensmittel beschäftigen, die er gern isst.

Im diesem Artikel liest Du alles über die versteckten Zuckerfallen im Supermarkt und die besten Tipps für den Start in die zuckerreduzierte Ernährung.

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  • Bei welchem Lebensmittel würde es Dir am schwersten fallen?

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